Die von mir (uns) bereisten Länder Chile, Bolivien und Peru zeigten sich sehr widersprüchlich. Eine Reise mit dem Rad in dieser fazinierenden Landschaft des Altiplano läßt einen die Natur hautnah spüren, die vielen Kulturdenkmäler aus der Inkazeit, vor allem im Urubamba-Tal und der Region Cusco beeindruckten sehr.
Auf dem Altiplano lebt eine in Teilen sehr arme Bevölkerung mit einem großen Anteil indigener Völker. Wir begegneten einer Kultur der Gleichgültigkeit den Mitmenschen und auch uns Gästen gegenüber, einem nur gering entwickelten Umweltbewußtsein (Müll wird einfach in die Natur geworfen) und in den Touristenzentren einer teilweise staatlich subventionierten Abzocke, die einen nur den Kopf schütteln läßt.  Überall ist es laut und es läuft Musik, es wird gehupt auf teufel komm raus und erst zu Hause habe ich gemerkt, wie ruhig es hier ist. Zu keiner Zeit hatte ich jedoch das Gefühl, daß ich durch Gewalt, Verbrechen oder Diebstahl bedroht wurde, eher durch den gefährlichen Straßenverkehr.
Aber auch Begegnungen mit hilfsbereiten, freundlichen Menschen waren an der Tagesordnung. Der kleine Gastwirt in Rio Mulato, die freundliche Oma in Juli, die Señora Sonja aus Pukará und die Einladung des Hoteldirektors aus Lima haben mich mit vielem wieder versöhnt.
Trotz aller Erfahrungen kann so eine Reise aber immer nur den eigenen kleinen subjektiven Ausschnitt der realen Verhältnisse zeigen, so daß ein anderer auf seiner Reise vielleicht auch andere Erfahrungen machen wird.
hinterhofEine Radreise über den Altiplano durch Bolivien und Peru ist kein Ritt auf dem Ponyhof.

Wir bewegten uns in einer Region der Welt in der es noch viel Armut, unterentwickelte Verkehrswege und knappe Ressourcen gibt. Die für unser Unternehmen so wichtige Versorgungslage mit ausreichend Lebensmitteln, Wasser und Unterkünften war aber jederzeit gegeben. Man kann jedoch europäische Maßstäbe hier nicht anlegen. Viele Unterkünfte waren Schlafplätze mit dem Klo im Hinterhof, das Essen war nahrhaft aber einfach.

Heizungen kennt man hier nicht, die Wasserleitungen waren morgens gefroren und tauten erst nach ein paar Stunden wieder auf, was die im Hinterhof lebenden Familienmitglieder nicht von einem Toilettenbesuch abhielt. Für eine warme Dusche war meist der in Südamerika übliche Duschkopf mit Durchlauferhitzer installiert, eine windige Konstruktion mit zusammengedrehten Kabeln mit Isolierband drumherum. Bei jedem Duschen hatte ich ein mulmiges Gefühl, ob ich bei einer Fehlfunktion nicht doch gebraten würde.

duscheUnser Ziel war es den Altiplano, eine Hochebene zwischen 3600 und 4000 m.ü.M., mit dem Rad von Süd nach Norden zu durchqueren um danach noch ein Stück weiter durch das Urubamba-Tal bis nach Machu Picchu zu gelangen. Dabei würden wir zunächst Bolivien und danach Peru bereisen. Die Schwierigkeiten waren nicht-asphaltierte Straßen, also Sand-, Stein- oder Waschbrettpisten, die große Höhe und der ständig von Norden wehende Gegenwind.

Dazu kam der für diese Jahreszeit außergewöhnlich strenge Winter mit -24° C in einigen Regionen. Aufgrund dieses strengen Nachtfrostes war es uns nicht möglich die Lagunen-Tour (eine ca. 500 km lange Tour im äußersten Südwesten Boliviens entlang von natürlichen teilweise versalzten, lagunenartigen Seen und Geysirfeldern in einer Höhe zwischen 4000 - 5000 m.ü.M.) mit dem Fahrrad zu absolvieren, da es nicht für jede Nacht eine gesicherte Unterkunft gab und für eine Übernachtung im Zelt in dieser Höhe derzeit zu kalt war. Wir entschlossen uns daher eine 3-tägige Jeep-Tour zu buchen. Damit konnten wir die schönen Lagunen trotzdem besuchen und unsere Räder wurden sicher mitgeführt.

peru_rail2Der Zug soll morgens um 6:59 Uhr abfahren. Auf dem Ticket steht allerdings, daß man schon um 6:29 Uhr am Bahnhof erscheinen soll: "otherwise you may no board". Ich bin frühzeitig an dem vollständig abgezäunten Bahnsteig. Durch eine Schleuse, an der das Ticket und der Ausweis vom Sicherheitspersonal genau kontrolliert werden, gelangt man auf den Bahnsteig. Beim Einstieg in den Zug kontrollieren die wie Stewardessen gekleideten Zugebegleiter noch einmal die Tickets und dann geht es endlich los. Der Zug tuckert mit ca. 40 km/h  eineinhalb Stunden durch das Urubambatal. Zwischendurch wird ein kleiner Snack gereicht und man bekommt Kaffee. Ab dem Örtchen Chica verengt sich das Tal, hier endet die Straße, und man sieht den Beginn des Inkatrails, über den man eine 4-tägige Wanderung nach Machu Picchu machen kann, welche allerdings nur als organisierte Tour mit Führer zulässig ist. mp02 Der Trail taucht nun immer wieder an den Berghängen auf und windet sich teilweise in schwindelerregender Höhe an den steil abfallenden Talwänden entlang. Schade das meine Zeit und meine Finanzen dafür nicht ausreichen. Dann erreichen wir Aguas Calientes (ca. 2000 m.ü.M.), dem Örtchen direkt am Urubambafluss und zu Füßen des Machu Picchu. Von hier aus fahren Schuttlebusse die Serpentinenstrecke zum Eingang der Ruinen hoch, dafür werden hier noch einmal 14 US$ verlangt. mp03 Nach einer kleinen Orientierungsphase weiß ich, daß ich zunächst in einem bestimmten Amt in Aguas Calientes die Eintrittskarte zur Ruinenstadt kaufen muß. Der Eintritt beträgt 126 Soles (ca. 34 €) und diese sind in bar zu entrichten. Einen Geldautomat gibt es in Aguas Calientes nur für Visa Kreditkarten. Gottseidank habe ich noch 50 US$ dabei, die ich tauschen kann. Mir ist völlig unverständlich, warum bei einem Besucherstrom von 2000 Menschen pro Tag hier nicht alle Zahlungsmöglichkeiten gegeben sind. Insgesamt ist Machu Picchu die große "Cash-Cow" von Peru. Man würde ja vermuten die Nachfahren der alten Inkas versuchen das ihnen damals von den Spaniern entwendete Gold auf diese Art wieder zurückzubekommen, leider verdienen wohl wieder nur andere daran.

mp01Ich kaufe in einer Seitenstraße in einem kleinen Laden noch etwas Reiseverpflegung und mache mich zu Fuß auf den Weg, Machu Picchu zu erklimmen. Nach kurzer Zeit treffe ich ein junges Pärchen, das den gleichen Weg hat. Sie ist Chilenin und er Deutscher, der ein Auslandsjahr in Santiago de Chile macht. Wir überqueren den Fluss und dann geht es fast gerade den Berg hoch. Der Pfad ist sehr schön, wir kreuzen ein paar Mal die Straße, welche sich in Serpentinen den Berg hochschlängelt und müssen aufpassen nicht von den Bussen überfahren zu werden. Nach einer Stunde erreichen wir den Eingang zur Ruinenstadt Machu Picchu auf 2438 m.ü.M..

mp04Nach ein paar ersten Fotos entschließe ich mich, bevor ich das Ruinengelände erkunde, zunächst auf den Cerro Machu Picchu zu steigen. Von dort soll man eine sensationelle Übersicht über das gesamte Gelände haben. Der andere Berg Waynapicchu ist nur für 200 Personen pro Tag geöffnet, die Plätze sind meist schon um 3 Uhr morgens ausgebucht. Ich frage entgegenkommende Wanderer wie lange es noch bis zur Begspitze ist, da ist von ca. 2 Stunden die Rede. Meinen beiden Mitstreitern ist das zu lang und sie kehren wieder um. Ich aber will auf den Gipfel, schließlich ist man nur einmal hier und der Zug fährt erst um 18:23 Uhr. Es wird immer steiler, der Schweiß tropft mir von der Stirn und das Hemd klebt am Körper, soviel habe ich die ganze Fahrt über nicht geschwitzt. Prima, daß ich vorher noch 2 Liter Wasser gekauft hatte. Manche Passagen sind so steil, daß es nur auf Händen und Füßen weitergeht. Dann endlich bin ich oben, nach allen Seiten fällt es fürchterlich steil ab und man hat eine sensationelle Aussicht über die ganze Region. Alle Leute hier oben fotografieren sich gegenseitig vor der im Hintergrund liegenden Ruinenstadt. Nach einer langen Ruhepause mache ich mich wieder an den Abstieg. Im Nachhinein stellte sich dann heraus, das der Gipfel auf 2800 m.ü.M. liegt.
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Auf dem Weg nach unten mache ich noch tolle Aufnahmen. Dann laufe ich stundenlang durch die Inkasiedlung und höre den Erklärungen der englisch-sprachigen Guides zu. Ein faszinierender Ort, man kann hier den ganzen Tag verbringen.  Etwas abseits führt der Inkapfad weiter Richtung Amazonas über eine wie an den  Berg geklebte Brücke. Wahnsinn, was diese alten Völker hier geleistet haben. Am späten Nachmittag breche ich dann wieder nach Aguas Calientes auf. Der Weg nach unten ist beschwerlich und ich merke schon, daß ich hier und heute ganz andere Muskelgruppen benutzt habe, als auf dem Rad. Das gibt morgen bestimmt tierisch Muskelkater. Irgendwann ist jeder Berg zu Ende und ich komme in Aguas Calientes an. Dann habe ich noch eine längere Wartezeit bis um 19:00 Uhr der Zug nach Ollantaytambo losrollt. Als ich endlich in der Herberge eintreffe, ist es spät und ich bin hundemüde.
inkabruecke              inkapfad
grenzstation_bolivienNach dem Start in San Pedro de Atacama fährt uns ein Zubringerbus bis auf 4000 m.ü.M. zur Grenzstation nach Bolivien herauf. Dort werden wir auf die 3 Jeeps verteilt und unsere Räder mit dem Gepäck auf den Dächern festgezurrt. In unserem Jeep sitzen 3 Frauen aus Barcelona und einen junger Mann (halb Spanier/ halb Ire). Spontan erinnere ich mich: die 3 Spanierinnen hatte ich schon während unserer Wartezeit auf dem Madrider Flughafen gesehen. Es gibt erstmal ein großes „Hallo“ und Erstaunen über diesen Zufall.

Nach Einfahrt in den Nationalpark „Reserva Nacional de Fauna Andina Eduardo Abaroa“ kommen wir an der am Fuße des 5920 m hohen Vulkans Licancabur gelegenen Laguna Verde und Laguna Blanca vorbei. Der inaktive Vulkan mit dem höchstgelegenen Kratersee der Welt war auch schon von San Pedro aus zu sehen und überragte die Atacama-Wüste. An einer heißen Quelle können wir dann ein Bad nehmen, bei dem frischen Wind und den kühlen Temperaturen in über 4000 m Höhe eine echte Herausforderung.
Laguna Verdeheisse_quelleGeysirfeld

Die außergewöhnlichen Farben der verschiedenen Lagunen beruhen teilweise auf bestimmten Algenarten sowie dem hohen Mineralstoffgehalt. Die sehr widerstandsfähigen Flamingos kann man an einigen Stellen in der Salzlacke stehen sehen. Aufgrund ihrer lederartigen Haut macht ihnen das Salzwasser nichts aus.

laguna_colorada Nach dem Besuch des Geysirfeldes (Sol de Mañana) auf fast 5000 m.ü.M. stellen sich bei mir plötzlich starke Kopfschmerzen und Übelkeit ein. Auch die anderen Teilnehmer unserer Gruppe haben Probleme, die ersten Anzeichen einer leichten Höhenkrankheit. Wir fahren weiter zur Laguna Colorada auf 4278 m.ü.M. wo auch unsere Unterkunft für die Nacht gelegen ist. Es handelt sich um Steinsockel, auf die Matrazen gelegt wurden. Abends wird von den hier lebenden Bolivianern indianischen Ursprungs ein Essen serviert. Mir geht es schlecht und ich bekomme nichts runter. Ich gehe früh zu Bett und bekomme Schüttelfrost. steinbettenZwei Deutsche aus dem anderen Jeep mit Himalaya-Erfahrung beruhigen mich und sagen ich müßte die Nacht irgendwie überstehen, morgen würde es schon besser gehen. Die Einheimischen bringen mir einen „Mate de Coca“ (Tee aus Cocablättern, welcher in Deutschland verboten, hier aber in Teebeuteln in jedem Supermarkt zu kaufen ist) gegen die Höhenkrankheit. Nach kurzer Zeit beginnt der Tee zur wirken und ich fühle mich schon etwas besser. In den darauffolgenden Tagen verschwinden die Symptome durch Absteigen auf 3600 m.ü.M. und Eingewöhnung wieder.

wuestenpisteAm zweiten Tag erreichen wir nach dem Besuch verschiedener Lagunen, welche teilweise von Flamingos bevölkert werden und einer Vorbeifahrt am noch aktiven Vulkan Ollagüe die Ausläufer des Salar de Uyuni, mit mehr als 10.000 km² der größte Salzsee der Welt. laguneDie Nacht verbringen wir in einer Unterkunft direkt am Salzsee, die Sockel der Betten sind aus purem Salz. Ich gehe noch nach draußen und sehe mir den faszinierenden Sternhimmel an. Nirgendwo hat man so einen klaren Blick in den Weltraum, wie in dieser Höhe und bei dieser niedrigen Luftfeuchtigkeit. Erinnerungen an meine Ausbildung als Astrophysiker werden wach.

Der nächste Tag steht dann ganz im Zeichen des Salzsees, wir besuchen noch die in der Mitte des Sees gelegene Insel „Incahuasi“ und fahren über die bis zu 30 m dicke Salzschicht nach Uyuni.
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