Nach dem Besuch von Machu Picchu, dem Hightlight meiner Reise bleibt eigentlich nur noch das Ziel Lima im Visier. Ich rechne hin und her, wenn ich heute zurück bis Cusco komme und dort noch einen Nachtbus an die Pazifikküste nehmen kann, dann blieben mir noch 2 Tage, welche ich am Meer verbringen könnte. Lima liegt zwar auch am Meer, jedoch ist um diese Jahreszeit die ganze Stadt immer von dunklem grauen Küstennebel eingehüllt und die Sonne nie zu sehen. Also suche ich mir Pisco, ca. 200 km südlich von Lima als Ziel aus.


urubambaNach einem ausgiebigen Frühstück in einem Straßencafé in Ollantaytambo mache ich mich auf den Rückweg nach Cusco. Um nicht den gleichen Weg zu fahren, will ich ab Urubamba die westliche Route über Chinchero nehmen. Auf meiner Karte ist ein Pass mit 3600 m.ü.M. eingezeichnet, Cusco liegt auf 3400 m, also kein großer Höhenunterschied denke ich. Die 20 km bis Urubamba sind kein Problem, ab da zweigt die Straße Richtung Chinchero ab und schwingt sich in Serpentinen aus dem etwa 2800 m.ü.M. liegenden Urubambatal hinauf. Es geht aufwärts und aufwärts und aufwärts, irgendwann zeigt mein Garmin knapp 4000 m.ü.M. an. So habe ich mir das nicht vorgestellt.


urubamba04Aufgrund der Anstrengung vom Vortag komme ich nur langsam voran. Die Landschaft ist wunderschön, überall sind Felder und fruchtbares Ackerland. Hinter Chinchero geht es dann endlich wieder bergab, doch bei jedem Höhenmeter den ich wieder unter 3600 falle, weiß ich, daß ich den wieder raufklettern muß. Und so ist es dann auch, kurz vor Poroy habe ich den Tiefpunkt erreicht und es geht dann noch einmal einige Hundert Höhenmeter hinauf, bevor man dann in steiler Abfahrt nach Cusco herunterfährt.


chincheroDer Tag neigt sich langsam dem Ende zu und es wird schnell dunkel, ich irre durch die Stadt und versuche mich zum Busterminal durchzufragen. Wie immer geben mir die Passanten widersprüchliche Hinweise, doch zum Schluss finde ich den Busbahnhof. Dann geht alles ganz schnell, eine der Buslinien Richtung Lima können mich in Pisco absetzen und nehme mein Rad auch mit. Da sie in Eile sind, wird das komplette 45 kg schwere Rad mit den montierten Radtaschen und Gepäckrollen einfach in den Gepäckraum geschoben. Ich muß schnell noch eine kleine amtliche "Abreisegebühr" bezahlen und darf dann mit dem Abreisestempel in den Bus einsteigen, der dann auch direkt losfährt. Glück muß man haben. Für umgerechnet 35 € bringt mich der Bus in einer abenteuerlichen 880 km weiten und 18 Stunden langen Fahrt nach Pisco. Dabei liegen auf dem 650 km langen Stück durch die Anden vier 4000er Pässe und kein einziges gerades Stück Straße. Mit dem Rad hätte ich dafür bestimmt eine weitere Woche gebraucht.

la-paz2Am nächsten Tag begann nun der zweite Teil meiner Reise, diesmal als Solofahrer. Nach der 2-wöchigen Eingewöhnungsphase stellte dies aber kein Problem mehr dar. Ich breche also morgens mit dem Ziel Titicacasee auf. Dazu mußte ersteinmal der Talkessel von La Paz verlassen werden, eine gut 15 km lange Straße auf der rund 900 Höhenmeter zu überwinden sind. Belohnt wird man aber mit einem schönen Blick über die Stadt und auf den 6439 m hohen Berggipfel des Illimani. Kaum lasse ich die letzten Häuser von „El Alto“ hinter mir, wird der Gegenwind spürbar. Dieser frischt im Laufe des Tages, meist nach Mittag, ziemlich auf und bereitet mir auf der ansonsten zumeist flachen Strecke große Probleme. Ich komme teilweise nicht mehr über 10 km/h hinaus.

titicaca1Kurz vor Sonnenuntergang erreiche ich den Titicacasee (3810 m.ü.M.) und kehre in einem kleinen Hotel direkt am See ein. Es scheint sich auch um eine Art Bauernhof zu handeln, überall springen Schafe, Hühner und Schweine über den Hof. Ich bin der einzige Gast und werde von der netten Dame mit allem notwendigen versorgt. Ihr kleiner 6-jähriger Junge schaut fasziniert auf mein Rad.

titicaca2Am nächsten Tag ist mein Ziel Copacabana, dazu sind aber noch eine kurze Fährstrecke und zwei 4000er Pässe zu überwinden. Die See-Enge bei Tiquina wird auf kleinen abenteuerlichen anmutenden Holzbooten überwunden, deren Boden aus einfachen Holzplanken besteht. Trotzdem bringen die sehr jungen Fährmänner sogar ganze Reisebusse und LKWs sicher auf die andere Seite. Die zwei Pässe und der starke Gegenwind zwingen mich des öfteren neben mein Rad zum Schieben. Gegen Abend erreiche ich dann endlich Copacabana.

copacabanaDas Städtchen ist ein wichtiger Wallfahrtsort Boliviens, in dessen Basilika die „Virgen Morena“, eine um 1576 von einem Indio aus dunklem Holz geschnitzte Marienfigur mit einer Krone aus purem Gold, steht. Sie wird als Schutzheilige des Titicacasees verehrt. Ich finde ein günstiges Hostal und buche für den nächsten Tag eine Bootsfahrt zur „Isla del Sol“.

copacabana_kircheDoch am Tag darauf frischt der Wind dermaßen stark auf, daß die Boote nicht auslaufen können, stattdessen wandere ich über einen Kreuzweg auf den „Cerro Calvario“, der 3966 m hohe Hausberg von Copacabana. Dort hat man eine schöne Übersicht über die Stadt und den Titicacasee.

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kathedraleDa der Bus erst am späten Nachmittag losfährt, nehme ich mir am nächsten Tag noch eine kleine Radtour durch das Nationalreservat Paracas vor. Das Zimmer muß ich zwar räumen, kann jedoch meine Packtaschen noch im Hotel unterstellen. Der Nebel verzieht sich gerade und ich mache mich auf den Weg zum 5 km entfernten Parkeingang. Nach Entrichten der Eintrittsgebühr führt die Straße zwischen Sanddünen hindurch und über ein paar kleine Hügel. Überall ist tiefgelber Sand, man fühlt sich wie in der Wüste. Schließlich erreiche ich das Meer. Hier steht die sogenannte "Kathedrale", ein riesiger vom Meer umspülter Felsdom. Leider ist ein brückenähnliches Teil beim letzten Erdbeben abgebrochen und das Naturschauspiel kann nicht mehr in seiner gesamten Schönheit betrachtet werden. An dem Aussichtspunkt sind auch wieder viele Touristen unterwegs, teilweise organisiert mit Allrad-Geländewagen. Ich nutze die Gelegenheit und lasse mich vor der wildromantischen Kullisse ablichten.
pazifik2pazifik3Der Rundkurs führt mich nun auf einer Sand- und Schotterpiste immer an der Küste entlang. Die Geländewagen kommen nur scheinbar schneller voran und an jedem Aussichtspunkt treffe ich die gleichen Touristen wieder.  An einem schönen Strand kann man bis ans Wasser fahren. Ich genieße die frische, feuchte Seeluft, eine Wohltat nach all den Wochen im trockenen Höhenluftklima. Mit ein paar amerikanischen Touristen komme ich ins Gespräch und tauschen ein paar Erlebnisse aus.  Nach ein paar weiteren schönen Aussichtspunkten fahre ich zurück nach Paracas. Der Besuch in diesem Nationalreservat war durchaus lohnend und eignet sich für einen Halb-Tages-Ausflug.
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Heute stand eine lange Etappe über 100 km auf dem Programm. Da ich nun das Altiplano verlassen wollte, um in einigen Tagen das ca. 400 km entfernte Cusco zu erreichen, mußten Kilometer gemacht werden. Auch war das nächste Hospedaje in Pukará angegeben.


punoZunächst aber wird im Hotel Velana noch ausgiebig gefrühstückt, na ja es gibt 2 kleine Fladenbrote mit Marmelade, natürlich Erdbeere (andere Sorten scheint es hier nicht zu geben). Dazu die spezielle Servierart von Kaffee mit Milch. Man bekommt ein Kännchen mit heißer Milch, ein Kännchen mit einer kleinen Menge hochkonzentrierten erhitzten Kaffees, sowie eine Thermoskanne mit heißem Wasser. Damit kann sich jetzt jeder seine Mischung so zusammenschütten, wie er sie mag. Dazu einen Orangen-"Jugo" (Saft) aus eigener Herstellung. Wobei ich da immer vorsichtig war, denn man konnte sich durch den Verzehr von Leitungswasser eine nette Magen-Darm-Geschichte, genannt "Montezumas Rache", zuziehen. Die ortsüblichen Bakterienkulturen sind einfach nichts für unsere verweichlichten europäischen Mägen. Als kleine Vorsichtsmaßnahme habe ich nur verschlossenes Mineralwasser getrunken, auch zum Zähneputzen benutzt, und keine ungeschälten Früchte und ungeschältes, ungekochtes Obst gegessen. So hat mich dann wohl Montezuma verschont.


altiplano_juliacaDie Ausfahrt aus der Stadt gestaltet sich schwierig, da man erst eine Art Pass-Straße, ähnlich wie in La Paz auf die nächste Anhöhe nehmen muß. Doch von oben hat man noch mal einen schönen Ausblick über die Stadt und einen Teil des Titicacasees. Nach kurzer Zeit verliert man die mühsam gewonnene Höhe wieder über eine rasante Abfahrt. Zumindest ist es noch nicht windig und ich rolle schnell über die breite Hauptstraße Richtung Juliaca. Parallel läuft schon die Trasse der Eisenbahn nach Cusco, der extrem teuren "Perurail".


adobe_ziegel Juliaca selber ist groß, ich muß über eine Seitenstraße fahren, da kurz vor der Stadt die Hauptstraße für den Radverkehr geschlossen ist. Nach einer Weile merke ich, daß sich niemand daran hält und wechsle wieder auf die die Hauptstraße. Die Stadt selber ist überflutet von Motorrad-Taxen (kleine 3-rädrige Gefährte mit einer Plastiküberdachung und den üblichen Minibussen. Diese halten durch ihr ständiges Stoppen den Verkehr auf und ich rolle mit dem Verkehr im Zick-Zack durch die Straßen. Größere Städte sind einfach nichts für Tourenfahrer mit Gepäck. Endlich bin ich draußen und es geht wieder schneller voran. Unterwegs sehe ich überall Häuser aus "Adobe"-Ziegeln, das sind luftgetrocknete Lehmziegel, die hier überall verwendet werden. Nach ein paar Jahren sind sie aber durch den Regen abgewaschen, und verkleinern sich zusehens.


endlose_strasse1Über endlose Straßen geht es weiter, nach einer Weile wird der Straßenbelag sehr, sehr puckelig, das Radeln wird mühsam. Dann frischt auch zusätzlich der Wind wieder auf und ich komme nur noch langsam voran. Als ich endlich das Örtchen Pukará erreiche, ist es schon fast dunkel. Eine große blaue Tafel mit der Aufschrift Tourist Information fällt mir sofort ins Auge. Ich halte vor dem Haus und siehe da hier kann man nicht nur übernachten, sondern auch Einkaufen, oder sich von diversen Wehwehchen kurieren lassen, denn der Laden ist auch gleichzeitig eine Apotheke. Eine nette Frau mittleren Alters begrüßt mich, Señora Sonja. Ich bekomme ein Zimmer, sogar mit Bad und lauwarmen Wasser. Nachdem das Rad in den Hinterhof bugsiert wurde, versorge ich mich im Laden erstmal mit Schokoriegeln und einer Flasche Cola, der heutige Tag hat mich geschafft. puckelige_strasseIm Hinterhof haben 3 Nachbarn 5 unterschiedliche Radio- und Fernsehsender laufen und es herrscht ein infernaler Lärm (für nordeuropäische Ohren). Zum Essen schickt man mich auf die andere Straßenseite, es gibt eine Suppe und etwas Reis für umgerechnet 2 Euro, sehr "basic". Ich nehme es gelassen und kaufe mir im "Lädchen" bei Frau Sonja noch ein Bier, Nüsse und ein Tüte Chips, der Abend ist noch lang (es ist erst 19:00 und stockduster). Irgendwann hört der Lärm auf und ich kann einschlafen, doch pünktlich zu Sonnenaufgang um 5:30 rühren sich die ersten Einheimischen und es werden alle ton- und bilderzeugenden Geräte wieder angestellt. Die Señora Sonja lädt mich noch zu einem (kostenfreien) Frühstück mit Kaffee und Fladenbrot ein. (Man, was wünsche ich mir ein Brötchen mit Schinken!) Wahrscheinlich lag es daran, daß ich in ihrem Laden den Abend vorher genügend eingekauft hatte.