Cusco, die ehemalige Hauptstadt des Inkareiches, ist heute eine Metropole im Zentrum des peruanischen Andenhochlandes mit etwa 320.000 Einwohnern. Die vielen in der Umgebung liegenden Sehenswürdigkeiten und Ruinen aus der Inkazeit machen sie zum Anziehungspunkt der Touristen. Deshalb sind die Preise für Lebensmittel, Dienstleistungen und Eintritte zu den Sehenswürdigkeiten im Vergleich zum sonstigen Land exorbitant hoch.
Den nächsten Morgen beginne ich nach einem ausgiebigen Frühstück ersteinmal damit Mails zu schreiben, denn das Hospedaje hat einen PC mit freiem Internetzugang. Den hatte ich seit Puno nicht mehr. Endlich mal wieder Zugang zum Rest der Welt. Dann war Touristisches angesagt, wenigstens die wichtigsten Sehenswürdigkeiten wollte ich mir heute ansehen. Auf dem Weg zum Stadtzentrum habe ich dann noch gleich meine Wäsche im Waschsalon abgegeben, die hatte es auch nötig.
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Von der Plaza de Armas aus gehe ich zunächst in das privat geführte Inka-Museum. Der Eintritt ist hier nicht so teuer und es war durchaus lohnenswert. Eine weitere Sehenswürdigkeit ist die Ruinenstätte Saqsayhuamán oberhalb von Cusco auf einem Hügel gelegen. Nach einem langen Fußmarsch eröffnet man mir an einem Kassenhäuschen, daß der Eintritt 70 Soles (fast 20 €) beträgt, für hiesige Verhältnisse ein Vermögen. Nun bin ich einmal hier oben, also zahle ich zähneknirschend und darf passieren. Als Bonbon kann ich jetzt mit dem Ticket auch noch einige andere Ruinen besuchen, die aber 5 km entfernt in den Bergen liegen, so daß ich sie unmöglich heute noch zu Fuß erreichen kann. Kaum habe ich einen Fuß auf das Gelände gesetzt, kommt schon ein junger Mann auf mich zu und bietet sich für 20 Soles als Reiseführer an mir die Ruinen zu erklären. Ich lehne dankend ab.
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Die Ruine der Inkafestung Saqsayhuamán ist eine der wichtigsten Sehenswürdigkeiten aus der Inkazeit. Die Mauern der Festung bestehen aus riesigen Steinen (der Größte mißt angeblich 9 x 5 x 4 Meter), welche so bearbeitet wurden, daß sie nahezu fugenlos aneinander passen.
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Ich laufe längere Zeit zwischen den Steinblöcken hin und her, bis ich an einen schönen Aussichtspunkt gelange, hier hat man einen sensationellen Blick über den Talkessel von Cusco. Erinnert mich irgendwie an ein La Paz im Miniaturformat. Man kann von hier oben genau sehen, wo das alte spanische Viertel liegt und das neue Stadtgebiet drumherumgewuchert ist. Auch wird hier ersichtlich, daß der Flughafen fast mitten in der Stadt liegt.
Dann wandere ich noch auf den benachbarten Hügel, auf dem eine Christusstatue (Christo Blanco) mit ausgebreiteten Armen steht, eine verkleinerte (ähnliche) Version des „Christo Rendentor“ aus Rio de Janeiro.
compania_de_jesusWieder zurück auf dem Plaza de Armas laufe ich kreuz und quer durch die Innenstadt. Es gibt hier sogar eine Fußgängerzone und einen Supermarkt, den ersten seit La Paz. Natürlich sind die Preise den Touristenströmen aus den westlichen Industrieländern angepasst. Noch einen Besuch in der Kirche „La Compañia de Jesús“, diese ist sehr schön, mit typischem schmuckvollen Hochaltar, wie ich sie auch aus Spanien kenne. Aus den Türmchen hat man noch einen schönen Blick auf die Plaza de Armas.
Auf dem Rückweg zum Hospedaje hole ich noch meine Wäsche ab. Sie ist schön sauber und duftet gut, welche ein Genuß. Abends gehe ich wieder mit dem deutschen Pärchen Essen.

amerikaradlerAls ich am nächsten Tag aufbrechen will, gibt es erstmal einen Hagelschauer. Die Leute vom Hostal versichern mir, daß es sowas das letzte Mal vor 5 Jahren gegeben hätte. Trotzdem packe ich meinen Drahtesel und mache mich auf den Weg. Heute wollte ich die Grenze zu Peru überschreiten und morgen Puno erreichen. Der Grenzübergang gestaltet sich schwierig, zunächst muß man sich auf bolivianischer Seite einen Ausreisestempel im Amt für Migration holen um dann auf der anderen Seite in Peru ein Einreiseformular auszufüllen. Stempel in den Pass und es kann weiter gehen. Leider finde ich in der peruanischen Grenzstadt keinen Geldautomaten und so reise ich mit nur den wenigen am Vorabend in Copacabana getauschten „Nuevos Soles“ weiter. Nach einer halben Stunde kommen mir 2 Radler entgegen. Man hält an und tauscht Informationen aus. Die beiden (er Australier, sie aus den Niederlanden) kommen aus Alaska und wollen noch runter nach Feuerland, dazu sind sie schon 2 Jahre unterwegs. Ich schäme mich ein wenig, daß ich zu Hause wegen meiner 5 Wochen am ganz großen Rad gedreht habe. Die beiden sehen es locker und schenken mir noch ein wenig peruanisches Geld, welches sie nicht mehr benötigen. Wir teilen meine Kekse und sitzen noch eine halbe Stunde zusammen und quatschen. Gut das ich die paar Soles noch bekommen habe, denn bis Puno gab es leider keinen Geldautomaten, zur Not hätte ich aber meine Dollar tauschen können.

gewitterfrontNach einer weiteren Stunde Fahrt verschlechtert sich das Wetter und zu dem schon stark blasenden Gegenwind gesellt sich eine Sturmfront, die sich schnell über den See nähert. Anfangs denke ich noch ich könnte mit Schieben weiterkommen, doch dann reißt der Orkan mir fast das Rad aus den Händen. Schnell flüchte ich mich unter einen Felsvorsprung und warte das Ende der Front ab. Nach einer Viertelstunde ist alles vorbei und ich kann weiterfahren. gewitterfront_wegHmm, die Wetterstatistik sagte für Juli genau einen Regentag voraus, den habe ich dann heute wohl erwischt. Kurz vor dem Ort Juli (welch Ironie, der Ort heißt wirklich so!) gibt es noch mal einen richtigen Schlussanstieg auf über 4000 m.ü.M. und ich muß die letzten Körner verbraten.

Auf Empfehlung der beiden Radler, suche ich ein bestimmtes Hospedaje. Eine alte huzelige Peruanerin macht mir das Tor auf. Alter ist nicht zu schätzen, wahrscheinlich sehen die Menschen aufgrund der Witterungsbedingungen und der stärkeren Sonneneinstrahlung hier älter aus als sie sind. Nach einem "Gespräch" mit Händen und Füßen (mein Spanisch ist einfach schlecht) bekomme ich ein schönes Zimmer, welches in Deutschland sofort von den entsprechenden Behörden geschlossen worden wäre, aber nach den letzten Wochen bin ich ja einiges gewohnt und freue mich über die Windstille und die lauwarme Dusche. Die gute alte Senora läßt mich sogar in ihrer Küche von mir mitgebrachte Pasta kochen. Dazu gibts dann einen ordentlichen Mate de Coca (Tee), einfach Klasse, da fühlt man sich gleich besser. So gestärkt verbringe ich den Rest des Tages (es ist erst 19:00, aber schon stockdunkel und sehr sehr kalt) und die Nacht in meinem warmen Schlafsack.

Am nächsten Morgen bemerke ich, daß die Sonne schon aufgegangen ist, mein Wecker aber erst in einer Stunde schellen sollte. Ah ja, Peru hat dann wohl eine andere Zeitzone. Es ist Sonntag, alle Geschäfte haben auf, LKWs auf den Straßen, eigentlich alles wie immer, nur einige Leute sind schicker gekleidet als sonst. Juli hat natürlich keinen Geldautomaten und nach der Übernachtung (20 Sol = 5 EUR) bleiben mir nur noch Dollares und ein paar Sol Kleingeld.

autowaescheGenial, es ist fast windstill, ich rolle mit fast 20 km/h die Straße entlang. Doch die Freude hält nicht lange an, irgendwann am Vormittag ist er wieder da, mein größter Feind. Sofort reduziert sich meine Geschwindigkeit wieder auf ein Maß, daß es mir schwerfällt den Lenker gerade zu halten. Im nächsten größeren Ort gibt es dann endlich eine offene Bank. Riesige Schlangen überall (es ist Sonntag!), man verweist mich auf den Geldautomaten, der will aber keine Mastercard. eselundbergeAlso schwinge ich mich wieder vor den Augen der staunenden Peruanern auf meinen Drahtresel und weiter geht's. Unterwegs wieder das gleiche Spiel, wie seit 3 Wochen: Kleine Jungen rufen mir immer wieder von den Feldern "Hola Gringo, hola Gringo" zu. Ich versuche zwar des öfteren richtig zu stellen "No soy Gringo, soy Aleman", aber das scheinen sie nicht zu verstehen. Jedes vorbeifahrende Auto hupt einen an, unabhängig, ob die Straße frei ist oder nicht. Da wünsche ich mir schon mal eine Presslufthupe, wie sie bei den Fußballfans beliebt ist.

odeeundradDie heutige Tour war alles andere als vergnüglich, ich habe den ganzen Tag für die 80 km bis Puno gebraucht, mit einem Schnitt von 12-13 km/h (netto). Aber zu guterletzt habe ich Puno erreicht, eine etwas größere Stadt, die auch touristisch erschlossen ist. Nach einem Besuch der Tourist-Information (zum ersten Mal sehe ich sowas hier!) empfiehlt man mir das schöne Biker-freundliche Hotel Velana, in dem ich sehr nett empfangen werde. Es gibt einen abgeschlossenen Raum für mein Rad und das Zimmer hat ein Bad mit einer wirklich heißen Dusche ohne Gefahr gegrillt zu werden. Anschließend finde ich sogar einen funktionierenden Bankautomat und bin jetzt erstmal wieder flüssig. In einem netten Restaurant bestelle ich mir ein leckeres Alpakasteak in Wermutsauce, exzellent!

abflug1Unsere Ankunft in Chile gestaltet sich schwierig. Nach ca. 19 Std. Flug (einschließlich Aufenthalt in Madrid) haben wir den Kaffee auf. Dazu kommt noch die Zeitverschiebung um 6 Stunden. Doch nun heißt es durch den Zoll und dann erneut Einchecken zu einem Inlandsflug, denn wir wollen ja noch gut 1400 km weiter nördlich nach Antofagasta. Um sich gleich mit der südamerikanischen Mentalität vertraut zu machen, wird hier noch mal schnell eine Gebühr für den Radtransport erhoben. Dann heißt es wieder warten, der Flug geht erst in 4 Stunden. Nach weiteren 3 Stunden mit Zwischenlandung in La Serena kommen wir endlich in Antofagasta an. Wir konnten aus der Luft schon einen ersten Eindruck von der angeblich trockensten Wüste der Welt, der Atacama, gewinnen. abflug2Leider liegt der Flughafen von Antofagasta noch ca. 25 km entfernt und da wir ja unsere großen Kartons mit den Fahrrädern dabei haben, ist an einen Minibus, oder normales Taxi nicht zu denken. Wie wir da so vor dem Flughafen stehen werden wir gleich von 2 Damen angesprochen, die für uns ein Großraumtaxi besorgen. 50 $ (US-Dollar ist in Südamerika die heimliche Währung) will man uns für die Fahrt in die Stadt abnehmen. Nach ein wenig (zu wenig) Handeln bezahlen wir 40 $ und helfen dem Taxifahrer beim Einladen unserer 30 kg schweren Kartons. Nach einer kurzen Fahrt, links wüstenähnliche Landschaft mit großen Sandhügeln im Hintergrund, rechts die brausenden Wellen des Pazifiks, erreichen wir die ersten Ausläufer der 300.000 Einwohner Stadt.

Der Taxifahrer setzt uns wie gewünscht am Busterminal am Rande der Stadt ab, denn wir wollen ja heute noch nach Calama. Benedikt kauft 2 Bustickets und es scheint alles klar zu sein. Noch mal 2 Stunden Wartezeit und dann fährt der Bus am Terminal vor. Wir schieben unsere riesigen Kartons Richtung Gepäckklappe. busterminalDer Busfahrer sieht uns und winkt direkt ab, die Kartons könnte er nicht mitnehmen. Damit ist der Fall für ihn erledigt und er läßt uns draußen stehen, steigt in den Bus schließt die Türen und fährt los nach Calama. Unsere zweite Begegnung mit der südamerikanischen Mentalität. So langsam bricht hier der Abend an, in Deutschland ist bereits tiefste Nacht und wir wollen nur noch schlafen. Also, was haben wir für eine Wahl, wir schieben unsere Kartons an den Rand, packen aus und bauen unten den ungläubigen Blicken der Einheimischen am Terminal routiniert unsere Räder zusammen. Radtaschen werden eingehängt, Lampen angebracht, denn es wird jetzt schnell dunkel. karton Das ganze Verpackungsmaterial schieben wir in einen Karton, stellt sich nur noch die Entsorgungsfrage. Also fragen wir. Man empfiehlt uns den Karton einfach um die Ecke herum abzustellen. Wir verstehen erst nicht, wir können doch unseren Müll nicht einfach auf der Straße stehen lassen, der Bedienstete des Terminals zuckt mit den Achseln. Das scheint hier niemanden wirklich zu interessieren. Dann fragen wir nach einem bestimmten Hostal und machen uns auf den Weg in die Stadt. Es ist bereits stockdunkel und wir haben nur eine wage Vorstellung, wohin wir fahren müssen. Irgendwann erreichen wir eine Art Stadtzentrum und fragen uns weiter durch. Überall sind Menschen, die wild durcheinander rennen, es ist laut, Autos hupen ständig, man muß aufpassen, daß man nicht angefahren wird. Das anvisierte Hostal können wir nicht finden. Zuguterletzt kommen wir aber doch noch unter. Völlig entnervt ziehen wir nocheinmal los, um einen Geldautomaten zu finden und ein paar Lebensmittel einzukaufen. Dann kommen wir endlich zur Ruhe.

Der Bus setzt mich an der Panamericana ab, von hier aus sind es noch 6 km bis nach Pisco, der Himmel ist grau, das Verkehrsaufkommen ist groß, aber es gibt einen Radweg, der Erste den ich hier in Südamerika sehe. Die Stadt ist häßlich mit dem typischen Charme von umherfliegendem Müll, halbfertigen Häusern und nicht-asphaltierten Straßen. Ich beschließe weiter Richtung Paracas zu fahren, dort soll es schöner sein. Vorbei an einem Militärflughafen, Ölfirmen und diversen Industriebetrieben, welche hier mitten im Wüstensand auf der einen und der Pazifikküste auf der anderen Seite stehen. Nach 25 km habe ich den Ort erreicht, wie eine Oase liegen die kleinen Häuschen am Rand der Küstenwüste. Es gibt sogar eine Strandpromenade und die Sonne zeigt sich am Himmel.
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Ich habe mir vorgenommen diesmal etwas mehr Geld anzulegen und dafür ein besseres Hotel zu nehmen, schließlich sind es meine letzten Urlaubstage und ich möchte noch ein wenig entspannen. Leider ist das von mir anvisierte Hotel voll belegt, ein junger gut englisch sprechender Angestellter führt mich aber ein paar Straßenecken weiter zu einem anderen Gebäude, welches wohl zum selben Hotel gehört. Dort komme ich unter. Leider ist heute der Nationalfeiertag und viele Peruaner nutzen das für ein verlängertes Wochenende am Meer. Die Hotels nutzen diesen Zeitraum um ihre Preise zu verdoppeln. Ich buche auch gleich noch eine Bootsfahrt zu den Islas Ballestas für den nächsten Tag.
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Am nächsten Morgen starten wir schon sehr früh mit einem Schnellboot vom Hafen aus, mit uns viele andere Boote, aber nicht ohne noch eine spezielle "Hafengebühr" zu entrichten. Eine halbe Stunde später erreichen wir die Islas Bellestas. Auf diesem Archipel hatte man früher Guano, ein beliebter Dünger aus Vogel-Dung, abgebaut. Bei den großen Mengen von Seevögeln welche auf diesen Inselchen nisten, kein Wunder. Es sind Pelikane, Möwen, Tölpel und andere Seevögel zu sehen. Auch Seelöwen und Pinguine konnte ich beobachten. Nach 2 Stunden sind wir wieder an Land. Scheinbar ist es hier morgens immer nebelig, denn gegen Mittag kam die Sonne wieder heraus. Den Rest des Tages verbringe ich damit, meine morgige Busfahrt nach Lima zu organisieren und am Strand in der warmen Sonne zu entspannen.
pelikane    paracas_strand    sonnenuntergang