altiplano_endeStart 8:30, das ist mal früh. Die Buckelpiste hat auch aufgehört und ich komme schnell voran. In Ayaviri mache ich eine längere Pause. Der Verkehr hält sich in Grenzen und einmal überholt mich die Eisenbahn, angeblich fährt sie nur alle 2 Tage die Strecke Puno-Cusco. Vor mir am Horizont tauchen jetzt die ersten größeren Berge auf, teilweise schneebedeckt. Sie zeigen das baldige Ende des Altiplano an. Die Straße knickt nach Westen ab, ich habe viele Kilometer mal richtigen Rückenwind und kann mit 25 km/h die endlose Straße entlangfegen.


peru_rail1Am frühen Nachmittag erreiche ich Santa Rosa, wo sich das letzte Hospedaje vor dem Pass befinden soll. Es ist ein verschlafenes Nest, und merkwürdig ruhig hier! Nach langen hin und her entscheide ich mich doch hier zu bleiben und nicht noch die 29 km zum Pass herauf zu fahren. Die Herberge hat bolivianisches Niveau und ist sehr "basic", kostet aber auch nur 15 Soles (ca. 4 €). In einem Hinterhof mit Hühnern, die immer gerne mit aufs Zimmer wollen liegen die "Apartments", das Bad ist über den Hof. Nach Nachfrage, warum der Strom in meinem Zimmer nicht geht, stellt sich heraus, daß es zur Zeit hier einen Stromausfall in der ganzen Stadt gibt, deswegen ist es so ruhig hier...
 
hinterhof1Ich nutze den langen Nachmittag und montiere den kaputten Ständer vom Rad, ziehe noch ein paar Schrauben nach und reinige die Kette. Anschließend stelle ich fest, das man mit dem schrottreifen Ständer noch prima die Zimmertür sichern kann, diese hat nämlich nur außen ein Bügelschloss und innen nichts.
 
Vorbei die himmlische Ruhe, der Strom ist wieder da! Überall in der Stadt gehen die Musikanlagen an, verrückt diese Leute. Abends frage ich nach "la cena", dem Abendessen. Man schickt mich wieder weg, es wäre noch nicht fertig. zimmer2 Als ich dann nach einer Stunde wieder vorbeikomme, gibt es eine Suppe und als Hauptspeise ein wenig Huhn mit Reis und Kartoffeln. Nahrhaft, schmackhaft und günstig. Jetzt noch ein Bier und ab in den warmen Schlafsack, denn es wird schon wieder erbärmlich kalt draußen.
breakfastAm nächsten Morgen starte ich wieder sehr früh, denn die Reststrecke bis Cusco beträgt fast 100 km. Ich verabschiede mich noch von den beiden Franzosen und wir wünschen uns gegenseitig viel Glück für die weitere Reise. Ich komme gut voran, doch merke ich, daß mein Vorderrad ab einer gewissen Geschwindigkeit zu pendeln anfängt. Irgendetwas schaukelt sich da auf. Vermutlich ist es der zu niedrige Luftdruck im Reifen. Aufgrund des großen Höhenunterschieds, ich befinde mich mittlerweile fast unter 3000 m.ü.M. (also rund 1400 m tiefer als noch am Morgen zuvor) und der morgendlichen Kälte scheint der Druck im Reifen noch weiter gefallen zu sein. Nach einer Weile mache ich einen Frühstückstop und versuche den Reifen weiter aufzupumpen, doch meine Luftpumpe funktioniert nicht mehr richtig. Dann trifft plötzlich ein weiterer Tourenradler aus Richtung Cusco ein. Er hält direkt an und wir kommen ins Gespräch. Er ist auch Franzose und ist Richtung La Paz unterwegs. So sitzen wir fast eine Stunde zusammen und tauschen Info's über Strecke, Hospedajes und Interessantes aus. Ich frage ihn, ob und wann es Richtung Cusco noch einmal bergauf geht, da ja die Stadt auf 3400 m.ü.M. liegt und wir hier schon fast unter 3000 sind. Also, er hätte da keine nennenswerte Steigung bemerkt. Ich bleibe mißtrauisch. Zuletzt leiht er mir noch seine Pumpe und ich kann mein Problem beseitigen.


urubamba03Und immer weiter geht es talabwärts. Der Garmin zeigt bereits 2900 m.ü.M. an. Ich weiß, am Ende muß ich wieder auf 3400 herauf. Kurz vor Urcos windet sich die Straße aus dem Flußtal heraus den Berghang hinauf. Selbst die Tanklaster fahren kaum schneller als ich mit dem Rad. Dann jedoch geht es wieder steil bergab und ich fahre mit nahezu 60 km/h den LKWs davon. Hinter einer Brücke über den Urubamba geht es hinein nach Urcos, im Ort wieder steil bergauf bis sich die Straße danach wieder ins Tal heruntersenkt. Dann verläßt die Hauptstraße endgültig das Urubamba-Tal und windet sich über einen kleinen Pass in ein Seitental, welches zunächst sanft, dann aber zum Stadtgebiet von Cusco hin immer steiler ansteigt. Ich fahre 10 km bergauf durch unansehliche Außenbezirke, vollgestopft von Autos, Minibussen und 3-Rad-Taxen, von Abgasen geschwängerter Luft umgeben und mit infernalem Lärm erfüllte Straßen. Schließlich erreiche ich den "Plaza de Armas" im Zentrum des alten Cusco, setze mich auf eine Parkbank und lasse ersteinmal die Umgebung auf mich wirken.


plaza_armas01Ich habe noch eine Adresse eines radlerfreundlichen Hospedaje in Cusco. Ich frage einen Polizisten nach dem Weg, die Unterkunft ist gar nicht soweit entfernt und nach 5 Minuten stehe ich in einem Hinterhof. Doch ein netter Señor teilt mir mit, daß das Hospedaje zur Zeit komplett ausgebucht sei. Also schiebe ich mein Rad wieder auf die Straße. Dort treffe ich ein deutsches Pärchen, die sich auch diese Unterkunft ausgesucht hatten. Er spricht perfekt Spanisch. Zusammen finden wir eine Herberge ein paar hundert Meter weiter die Straße runter. Der Preis ist ok und ich buche direkt 2 Nächte. Abends gehen wir dann zusammen essen und erzählen uns unsere Erlebnisse. Die beiden sind schon einige Monate unterwegs und waren zunächst im Westen der USA, bevor sie dann von Lima aus gestartet sind. Nun wollen sie Richtung Süden über den Altiplano. Ich gebe meine üblichen Tips und verteile Visitenkarten der guten Hotels in Puno und La Paz. Sie empfehlen mir eine bestimmte Herberge in Ollantaytambo in der Nähe von Machu Picchu.
la_raya_pass1Start heute 8:00, noch früher als gestern. Dafür gibt es kein Frühstück. Ich kaufe noch in einem kleinen Laden Fladenbrot und Leckereien für unterwegs ein. Die Leute auf der Straße beäugen interessiert mein Rad und wollen wissen was es kostet. Ich versuche ihnen zu vermitteln, das man die Preise nicht vergleichen kann und ich ihnen deshalb auch keinen nennen könnte. Wie sollten sie auch verstehen, daß sie für so ein Rad einen Jahreslohn aufbringen müßten. Das ist mir bedeutend zu viel Rummel um meine Person und so fahre ich schnell weiter. Bis zum Pass sind es 29 km und trotzdem es nicht so steil ist, brauche ich 3 Stunden. An einer schönen Stelle lege ich aber zwischendurch noch eine Frühstückspause ein. Natürlich kommt mein persönlicher Duz-Freund, der Wind, pünktlich zum steilsten Stück des Anstieges vorbei und bläst mir frech ins Gesicht. la_raya_pass2Dann erreiche ich endlich den "Abra la Raya" mit seinen 4338 m.ü.M.. es gibt hier einen Parkplatz wo die Touristen-Reisebusse eine kurze Pause einlegen, die Einheimischen mit ihren Decken und anderem Kunsthandwerk sind schon da. Trotzdem sie ja wohl sehen müssen, das ich gepäcktechnisch völlig ausgelastet bin, versuchen sie mir schwere Decken und filigrane Bastelarbeiten zu verkaufen. Leider denkt hier niemand mal eine Sache bis zum Ende durch.


Dann kommen die Reisebusse. Sofort stehe ich wieder im Mittelpunkt des Geschehens und Deutsche, US-Amerikaner, und Leute anderer Nationalitäten wollen wissen, wie man mit dem Rad hierherkommt und was ich so vorhabe. Na ja, ich genieße das Interesse und erkläre wo ich noch hin will und was ich bisher erlebt habe. Man ist begeistert und macht Fotos.


urubamba01So gestärkt mache ich mich an die Abfahrt nach Sicuani, immerhin 800 Höhenmeter auf knapp 40 km. Hier oben an der Wasserscheide zwischen Altiplano und den südöstlichen Andenketten Perus entspringt der Río Urubamba, der im Prinzip schon zu einem der Zuflüsse des Amazonas gehört. Das Tal in das ich jetzt hineinfahre wird später zum heiligen Tal der Inkas (Valle Sagrado), welches besonders fruchtbar und das landwirtschaflich bedeutendste Hochtal der Inkas ist. Es führt an der Ruinenstadt Machu Picchu vorbei bis in die Nebelwälder des Amazonasbeckens. Im Prinzip heißt das: von nun an geht es nur noch bergab (im Prinzip). In rasender Fahrt tauche ich ein in die fruchtbare Landschaft des Tals, überall wird Ackerbau betrieben, es wachsen Eukalytusbäume. Die Häuser sehen freundlicher aus, keine Frage, die Menschen scheinen hier wohlhabender zu sein.


urubamba02Die Fahrt durch das Tal geht flott voran und ich erreiche nach 107 km den kleinen Ort Checacupe. Hier gibt es genau ein Hospedaje. Eine Familie hat in ihrem Hinterhof ein Zimmer mit drei Betten zur Unterkunft erklärt, Toilette und kalte Dusche sind wieder auf der anderen Seite des Hofs. Als ich gerade das Zimmer beziehen will tauchen noch zwei Radler auf, ein Pärchen aus Frankreich. Da es anscheinend im ganzen Ort nur dieses eine Hospedaje zum Übernachten gibt, teilen wir uns das Zimmer. Die beiden sind von Lima aus losgefahren, hatten sich dort 2 Räder gekauft. Nun wollen sie über das Altiplano nach Argentinien herüberradeln. Wir richten uns in dem Räumchen ein und beschließen dann noch Essen zu gehen. Nach längerem Suchen und Fragen finden wir Räumlichkeiten in denen Essen ausgegeben wird. Es gibt wieder eine Suppe und ein kleines Stückchen Fleisch mit Reis und Kartoffeln für 3 Soles (ungefähr 1 €).
Am nächsten Tag scheint wieder die Sonne, das erinnert mich daran das ich hier noch „günstig" Sonnencreme kaufen wollte. Im Supermarkt ist die nicht zu bekommen und so gehe ich in eine „Farmacia", eine Art Apotheke mit medizinischer Beratung. Die Sonnencreme ist hier (in einem Land mit hoher UV-Strahlungsbelastung und niedrigerem Pro-Kopf-Einkommen) natürlich viel, viel, viel teurer als zu Hause. Ich ärgere mich.

Wir fahren wieder zum Busterminal und gehen diesmal zu einem anderen Unternehmen. Sie würden uns ja mitnehmen, aber die Räder müßten in einem Karton verpackt sein. Wir raufen uns die Haare. Aber wir haben ja noch die riesigen „trans-o-flex" Tüten, in die wir unsere Radtaschen verpackt hatten. Wir zeigen den Leuten am Schalter die Tüten und bieten an, daß wir unsere Räder darin verpacken würden. Das funktioniert tatsächlich, unsere Räder werden in den Bus geladen und wir machen uns auf die 300 km lange Fahrt nach San Pedro de Atacama. Beim Ausfahren aus dem Busterminal können wir noch unseren Karton an der Ecke stehen sehen, irgendwie ironisch.

Bei unserer Ankunft in San Pedro (2443 m.ü.M.), einem kleinen touristisch geprägten Örtchen mit ca. 5000 Einwohnern am Rand des Salar de Atacama gelegen, bricht schon der Abend an. Beim Auspacken der Räder verliere ich im Dunkeln wohl meine Fotokamera, bemerke dies aber erst 2 Stunden später und trotz intensiver Suche und Nachfrage bleibt sie verloren. Ich ärgere mich Tage lang. Gut das Benedikt auch eine Kamera dabei hat.

Valle de Luna Salar de AtacamaDer Ort ist übersät mit Hospedajes, Restaurantes und Touristen. Wir finden eine schöne, bezahlbare Unterkunft mit Küche und Bad auf dem Gang. Die nächsten 2 Tage machen wir Rad-Ausflüge in die nähere Umgebung (Valle de Luna, Salar de Atacama, Pukará), gewöhnen uns an die Höhe und sammeln Informationen, z.B. über die Lagunentour. Nachts ist es empfindlich kalt, selbst in den Unterkünften. Aufgrund der weiter oben beschriebenen Wetterlage buchen wir die 3-Tage Jeep-Tour nach Uyuni.